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11. Februar 2010 4 11 /02 /Februar /2010 16:59

Fatman bemerkte an der schallenden Ohrfeige, dass seine Berührungsängste mit anderen, wohl dem Vater nicht zu gefallen schienen. Die Sache war die, dass jeder der bei der Tür herein kam, ihn nicht nur links, rechts, links, rechts nasse Pferdeschlabberküsschen aufdrückte, nein, jeder dieser Idis zwickte ihn mit einer sadistischen Leidenschaft in seine Hamsterbäckchen und verdrehte das Fleisch so lange, bis Fatman die Tränen herunter kullerten. Dabei schauten sie ihn aus zu Schlitzen gewordenen Augen, hämisch grinsend, an. Um diesen Malheuren auszukommen entsann der ehemalige Dicke einen einfachen, wenn auch ebenso effektiven Plan. Er holte sich aus Vaters Büro den Papierkorb. Ein feiner Stahlgitterkorb und aus Mutters Küchenschublade besorgte er sich Paketzwirn. Er setzte sich sodann den Papierkorb auf und band ihn mit Zwirn so geschickt um seinen Hals, dass nicht einmal er ihn wieder abnehmen konnte. Er hasste Pferdeschlabberküsschen. Puh. Das konnte er so etwas von nicht leiden. Als etwas später die bucklige Verwandtschaft mit ihren langustenscherengleichen Händen anrückte, war er in seiner Festung so gut wie sicher. Dachte er zumindest. Da betrat der Erziehungsberechtigte die Bühne, erblickte ihn und stellte eine infame Zuwiderhandlung seiner Regimereguhlarien  fest. Der Korb wurde unsanft entfernt, die Backen mittels anklatschen erwärmt und der begierigen Verwandtschaft feigegeben. Der einzige Vorteil war, dass nach den Backpfeifen, die Wangen ohnehin taub zu sein schienen. Er konnte die Verwandtschaft beobachten, wie sie ihm die Pausbäckchen quetschten und verdrehten und er empfand nichts. In jeder Hinsicht. Einmal machte er den Versuch, sich bei den weiblichen Backenverdrehern sofort zu bedanken, indem er ihnen in die Brüste kniff und dabei tüüüüüt schrie. Was er nicht kommen gesehen hatte war das Familienüberhaupt. Eine angerauchte später fand er sich heulen und torkelnd in der Zimmerecke wieder. Das Leben war nicht gerecht. Nicht zu ihm. Aber vielleicht zu seinem Zwillingsbruder. So hoffte er zumindest und lachte, ob der schönen Tage die da auf sie zukamen. Er lachte. Er lachte Tränen. Selbst als er einen Backhandflip des Erziehenden voll auf die Fresse bekam. Der Diktator konnte Freudenlärm nicht ab. Da er aber scheinbar den Eindruck gewonnen hatte, Fatman würde heulen, erteilte er ihm noch eine Lektion. Er schwang ein weiteres Mal seine gefürchtete Rückhand und donnerte dem Lärmbolzen eine  aufs Maul begleitet von den Worten: Damit du weißt, warum du  plärrst.

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8. Februar 2010 1 08 /02 /Februar /2010 17:19

Unbetätigten Gerüchten zufolge wollte sein Vater ihn Jahrzehnte später eigentlich bei einem Zuckerbäcker in die Lehre schicken, doch er scheiterte schon an der Frage „Was versteht man unter Kuvertüre“. Seine Antwort „das ist der Einwurfschlitz eines Briefkastens“ vereitelten aber diese Pläne. Verlassen wir nun das Land der Feigen und „Dachteln“ und wenden uns wieder Richtung Westen. Der dünne Dümmling hatte eine für die Adoptiveltern praktische Angewohnheit. Er war nun wirklich kein menschliches Aushängeschild mit dem sich im Kreise der Gesellschaft auch nur ein Blumentopf hätte gewinnen lassen. Zum Glück war er äußerst zurückhaltend und sobald die Glocke an der Wohnungstüre läutete, verschwand er blitzartig unter dem Wohnzimmertisch. Das führte dazu, dass sämtliche Bekannte im Glauben waren, es existierten nur drei Kinder. Denen machte es auch sichtlich Spaß, gelegentlich an der Haustür zu läuten, um die Reaktion von „Littleman“ zu sehen. Hätte er zu Beginn des 20. Jahrhunderts gelebt, er wäre vermutlich als der „Pawlowsche Affe“ in die Geschichte der Psychologie eingegangen. So aber plagten ihn Ängste vor dem unvermeidbaren Längenwachstum und der Frage wie er körperlich voll entwickelt und dem Tisch noch Platz finden sollte? Der Versuch seine Eigenartigkeit durch eine Kinderpsychologin zu ergründen misslang. Wahrscheinlich musste seine Geschichte erst geschrieben werden. Da Menschen mit abgeschlossenem Studium selten an ihren Fähigkeiten zweifeln bzw. ihre Unzulänglichkeiten einfach ignorieren, wurde den Eltern erklärt, dass dieser spezielle Fall wohl eher im Zuständigkeitsbereich eines Tierarztes läge. Doch nachdem die ganze Situation schon so peinlich genug war, beschlossen sie dieses animalische Missverständnis gar nicht mehr aus der Welt zu schaffen und gaben ihn überall als Affen aus. Apropos aus der Welt schaffen. Es war ein Ostermontag der mit einem doppelten Morgengrauen begann. Erstens plante der Vater einen Spaziergang und zweitens näherten sich die Schulferien unausweichlich ihrem Ende zu. Auch diesmal half es nicht, wie es den Affen eigen ist, sich mit Händen und Füßen im Türstock festzukrallen, so brachen der Vater, sein Bruder und er zu diesem Ausflug auf. Beim Gehen definierte er den Begriff der Langsamkeit neu, die Bewegung schien sich zwischen vorwärts und rückwärts nicht entscheiden zu können. Es hatte fast den Anschein er nähere sich dem „absoluten Nullpunkt der Fortbewegung“. Daher war es wenig verwunderlich, dass sich erst ein enormer Abstand zu Vater und Bruder gebildet hatte, der schließlich im Verschwinden der beiden gipfelte. Nun „gipfelte“ er ebenfalls, allerdings Richtung Bergspitze, anstatt talauswärts zu gehen. „Littleman“ besaß nämlich eine herausragende Eigenschaft, die selbst beim dümmsten Affen nicht zu finden ist, völlige „Orientierungslosigkeit“. In diesem Fall kam die räumliche zum Tragen. Diese Blödheit führte wahrscheinlich zu dem lustigen Kinderspruch „Tal auf, Tal ab (schnell hintereinander wiederholen). Nachdem er einfach verschwunden blieb, eilte sein Vater zum nächsten Gendarmerieposten um sich Unterstützung bei der Suche zu holen. Nicht wie man glauben sollte aus Besorgnis, sondern aus Angst, der Hofnarr könnte ihm diesmal tatsächlich abhanden kommen. Er forderte vom Postenkommandanten auch ein Megaphon, wahrscheinlich hatte er Angst die normale Lautstärke seiner Stimme könnte für die vorbereitete Brüllorgie nicht ausreichen. Doch der Adoptivsohn blieb wie vom Erdboden verschluckt. Er hatte in der Zwischenzeit in einem Heustadel ein Nachtlager ausgekundschaftet, das „sehr“ interessante Dinge beherbergte. Neben einem handbetriebenen Messerschleifer, war überall auf dem Boden Literatur in Form von Telefonbüchern unterschiedlicher Jahrgänge verstreut. Er sah einer rosigen Zukunft als messerschleifende Telefonauskunft entgegen, doch es war noch etwas zu früh, um mit dieser Vorstellung in den Schlaf zu sinken. Darum beschloss er sich noch ein wenig in der Gegend umzuschauen, als seine eben erlangte Freiheit durch eine schicksalhafte Begegnung abrupt beendet wurde. Der Pfarrer aus seinem Stadtteil fuhr genau in jenem Augenblick an ihm vorbei, hielt an und nachdem „Littelman“ sofort begriff, dass er niemals schneller laufen könnte als der weiße VW-Käfer inklusive Besatzung, ließ er sich widerstandslos festnehmen. Traurig musste er zur Kenntnis nehmen, abermals eine Chance verpasst zu haben und erstmals kamen Zweifel bei ihm auf, ob nach diesem Vorfall ein gerechter Gott überhaupt existieren könne.

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3. Februar 2010 3 03 /02 /Februar /2010 09:14

Und man mag es nicht glauben, aber ähnlich verhielt es sich auch bei Fatman. Wobei dieser Name eigentlich nicht mehr zutraf, denn er war von der Hitze eher ein wenig zu sehr ausgemergelt. Die Kindererziehungsanstalt hinter sich lassend, war er wieder auf einer Eliteschule angemeldet. Mit grau weiß kleinkariertem Sakko und  einem gelben Knautschleder Aktenkoffer betrat er die neue Schule und wurde sofort von den Anderen verhauen.  Den Einwand, er hätte schon einen Vater von dem er mehrere Trachten täglich erhielt, hätte er verzichten können, da es keinen interessierte. Sein Vater hatte ihn in eine Schule gesteckt, wo er zwei verschiedene Unterrichtarten besuchen musste. Das heißt er musste den Unterricht in Deutsch besuchen, und wenn mittags die Meisten heimgingen, ohne Mittagspause, den gesamten Unterricht nochmals in persisch wiederholen. Wobei das schwierigste daran die Krakel waren. Und dann noch das Geschreibsel. Am Morgen von Links nach Rechts und am Nachmittag anders herum. Mal bestand die vornehme Lage nach Rechts gerichtet, Mal nach Links. Da aber der Knilch scheinbar zu blöd war sich zu merken, wann man wie schreibt, und wegen der vielen Trachten die ihm sein Vater spendierte, beschloss er je einen Buchstaben nach Rechts gelehnt zu schreiben, den darauf Folgenden nach links, den nächsten wieder nach rechts, und so weiter. Die Folge war ein fürchterliches Schriftbild. Da seine Adoptiveltern es nicht glauben konnten, dass man wirklich so eine  grauenhafte Handschrift hat, beschlossen sie mit ihm einen Arzt aufzusuchen. Zur Wahl standen ein Psychiater und ein Augenarzt. Man entschied sich aus Kostengründen für den Augenarzt.  Der selbst blind wie die Nacht finster, verschrieb Fatman eine Brille. Jetzt war er der einzige mit Hornbrille in der Klasse. Sehen konnte er deswegen nicht besser, aber deutlich verschwommener. Das und die Tatsache, dass sein ater ihn nun auch noch zum Flötenunterricht angemeldet hatte, genügte den Anderen um ihn, wie sie es sagten, zu formen. Dazu war eine Schule schließlich da. Und für den Vater war es immer wieder  ein Muss, zu versuchen ihn zu entformieren oder so. Ziemlich ramponiert saß der kleine Hirni nun jeden Tag bis spät abends da und versuchte seine Hausübungen wieder und immer wieder zu machen. Als ein Hindernis stellte sich dabei sein Vater heraus, der ihm jedes Mal wenn ihm das Schriftbild nicht gefiel, die Seite aus dem Heft riss. Teilweise bestanden Fatmans Hefte lediglich aus zwei Seiten. Da allerdings selbst der Lehrer nicht glauben konnte, dass einer so dumm war, nahm er an dass der ehemalige Dicke, Papierflugzeuge basteln musste oder so blöde Himmel und Hölle Faltarbeiten. Also züchtigte ihn auch dieser. Vielleicht wollte er auch nur der restlichen Klasse zeigen wie es ihnen auch ergehen könnte. Und dann gab es da noch die Backpfeifen des Musiklehrers, der nicht glauben mochte, dass der Knirps zwar versucht hatte Zuhause zu üben, aber der Vater der Misstöne überdrüssig ihm gedroht hatte, das Blasinstrument in eine seiner tieferen Körperöffnungen zu stecken. Ganz schlimm war es dann, wenn Bekannte mit Kindern auf Besuch kamen. Er musste dann immer Vorspielen. Wenn er sich weigerte, wurde er eingekleidet, und das so lange, bis er dann spielte. Waren nun die Kinder der Anderen besser im Spielen auf seiner Flöte, gab es Ersatzkleidung. Zudem grauste er sich immer so wenn die Anderen Röhren seine Flöte vollspuckten, dass es ihm regelmäßig Fieberblasen aufzog. Das war nun leider auch wieder ein Grund um eine Tracht auszuteilen. Ging doch das Familienoberhaupt davon aus, dass der Kerl schon wieder zu viele Süßigkeiten gefressen hatte. Und die waren ausschließlich für den Prinzen reserviert. Also bekam er eben eine Ohrlasche oder auch Prinzenrolle genannt.

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25. Dezember 2009 5 25 /12 /Dezember /2009 11:28

Währendessen plagte sich „Littleman“ mit den R&B’s in Schreibschrift herum. Diese hatten nur bedingt mit Rhythm and Blues zu tun. Früher verprügelten Lehrpersonen noch die Schüler, heute ist es genau umgekehrt. Vielleicht stammt die Abkürzung R&B ja tatsächlich von der damals erlaubten Züchtigung. Schließlich wurden die Schläge im Takt verabreicht und die getroffenen Körperstellen färbten sich danach „blau“. Der „dumme Bub“ war einfach nicht in der Lage die Buchstaben korrekt zu schreiben und die Eltern fanden, dass dieses „Adoptivdings“ nur wenige Aussichten in der Zukunft haben würde. Eigentlich gäbe es für ihn später nur eine Möglichkeit sich auch ohne Ausbildung irgendwo nützlich zu machen. Sie wählten deshalb eine traditionelle und geschichtsträchtige Beschäftigung, die untrennbar mit dem Alpenraum verbunden ist, jene als Dorftrottel. Umso größer mag die Enttäuschung seiner Erziehungsberechtigten gewesen sein überall nur abschlägige Antworten erhalten zu haben. In der Heimatstadt argumentierte der Bürgermeister man wäre kein Dorf, in den Dörfern hingegen begründeten die Ortsleiter ihre Ablehnung mit der Feststellung er wäre einfach zu dumm für einen Dorftrottel. 40 Jahre später versuchte er nochmals seiner Berufung nachzugehen, doch er wurde in jedem noch so kleinen Weiler nach einem Maturazeugnis gefragt. Jetzt erst verstand er den Spruch „heute hat doch jeder Trottel eine Matura“. Aber zurück zum dummen Buben. Die Eltern waren verzweifelt, und sahen die Musik als letzte Rettung für „Littelman“, am besten in einer Musikkapelle, ebenfalls eine traditionelle und geschichtsträchtige Institution. Um etwas vorzugreifen, er wurde natürlich nicht aufgenommen, kein Wunder nach diesem überlieferten Dialog zwischen Kapellmeister und Knaben:

„Also, welches Instrument willst du denn spielen?“

„Die Blockflöte“

„Sehr schön und zu welcher Gruppe wird denn die Blockflöte gezählt?“

„Zu den Schlaginstrumenten“

Der Kapellmeister öffnete die Tür, gab ihm einen kräftigen Tritt in sein Sitzteil und schrie „zum Trommelziehen können wir dich auch nicht gebrauchen, wir haben schon einen Esel“. Der Hüter des Taktstocks konnte natürlich nicht ahnen, wie dieser Zusammenhang Flöte / Schlaginstrument überhaupt entstanden war. Der älteste Bruder versuchte sich bereits seit Jahren an diesem Instrument. Doch zum Missfallen seiner Eltern setzte er die Probenzeit immer just in den Momenten an, wenn das Nervenkostüm der Eltern schon Auflösungstendenzen zeigte. Ich glaube kein Geräusch auf der Welt kann binnen kürzester Zeit ein höheres Agressionspotential erzeugen, als jenes, das von einem flöteübenden Kind ausgeht. Darum war es wenig verwunderlich, dass ein Elternteil gelegentlich das Holzblasinstrument dem Übenden - zum Beenden des jammervollen Gedudels - einfach auf den Kopf schlug. Nachdem auch der Ausflug in die Musik erfolglos war, änderte sich plötzlich etwas bei dem hoffnungslosen Kind. Es schien als ob sich die Kurzsichtigkeit im Handeln auf einmal auf seine Augen übertragen hatte, er benötigte nämlich eine Brille. Diese verhalf im endlich zum nötigen Durchblick. Nicht dass er damit nur einen Funken mehr Verstand besessen hätte, aber irgendwie vermittelten die Augengläser eine Form von Intelligenz, zumindest so lange er den Mund geschlossen hielt. Die Eltern erblickten erstmals ein Licht am Ende des „Dummen“.

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18. Dezember 2009 5 18 /12 /Dezember /2009 16:27

Um wieder einmal die Bindung zwischen Zwillingen zu verstehen, muss ich berichten, wie sich Fatman im Kindergarten verhielt, in den man ihn zwischenzeitlich auch gesteckt hatte. Bei Madame Soundso sollte er nicht nur französisch lernen, nein er musste auch täglich zwei Stunden Mittagsschlaf halten. Der Ideale Zeitpunkt   um seinen Fluchtplan, den er auf’s Genaueste ausgetüpftelt hatte, in die Tat umzusetzen. Außerdem war tägliches Schwimmen angesagt. Zumpfträger und die die keinen haben waren im selben Umkleidezimmer. Zu diesem Zeitpunkt kannte Fatman noch nicht diesen kleinen Unterschied. Also vermutete er dass einige seiner Mitschüler, vorrangig die mit langem Haar, ihre Zumpfis zwischen die Beine nach hinten ziehen würden um diese aus Scham zu verstecken. Er versuchte diese auch, doch das Gehen war anstrengend und das kleine Säckchen  tat ihm weh. Er beschloss er musste schleunigst weg von all diesen Verrückten. Es war Zeit das Weite zu suchen. Vor dem nächsten Mittagsschlaf behauptete er ganz einfach, er könne heute nicht schlafen gehen, da er vom Vater abgeholt werden würde. So verließ er mit seinem Blechköfferchen den Kindergarten. Freiheit du hast mich wieder, dachte er. Hätte er lieber gedacht, Freiheit du hasst mich wieder. Das hätte den Nagel wohl wesentlich besser auf den Kopf getroffen. Womit er nicht gerechnet  hatte war, er war im Zentrum Teherans. Kurz entschlossen machte er eine Drehung nach rechts du lief die Schulmauer entlang. Dann an der nächsten Kreuzung, die damals noch keine Ampeln kannte, traute er sich nicht die Straße zu überqueren. Der Verkehr schien unendlich. Also machte er wieder eine Drehung nach rechts und lief die Straße entlang. Ebenso erging es ihm mit den weiteren tausendneunhundert und achtzehn Kreuzungen. Er begann müde zu werden. Seine Füße schmerzten und Hunger stellte sich ein, vom Durst ganz zu schweigen. Als er gegen Abend dann um eine Ecke bog, krachte auch schon heftig eine Hand gegen seine Rübe. Was machte denn sein Vater hier? Er war doch schon den ganzen Tag unterwegs gewesen. Hätte es damals GPS Tracker gegeben, hätte er vermutet, er hätte einen im Gepäck. So hatte er ein gescheuertes Heck. Nachdem die Schmerzen nachzulassen begannen, wurde ihm klar, er musste sich noch so an die dreißig Jahre gedulden bis der erste Navi zum Verkauf stehen würde. Und ohne Navi war er zu dumm zum weglaufen, denn was er aus den Gesprächen seines Vaters mit anderen herausfiltern konnte, die Sprache war durch permanentes Lachen verunreinigt, war er den ganzen Tag nur um den Block gewetzt. Und es war ihm nicht einmal aufgefallen, dass er dabei des öfteren die Schule passiert hatte. Er wurde kurzfristig von dieser Eliteschule genommen und kam somit das erste Mal auf eine Erziehungsanstalt. Das Licht am Ende des Tunnels rückte wieder ein Stückchen weiter weg.

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17. Dezember 2009 4 17 /12 /Dezember /2009 16:36

Plan, damit befasste man sich auch in der Zwischenzeit etliche Kilometer entfernt im Herzen der Alpen, allerdings im adjektivischen Sinn. Es war leicht zu erkennen, dass mit „Little Man“ neben dem Äußerlichen auch etwas im Inneren nicht stimmte. Deswegen führten Ärzte bei ihm eine Computertomografie durch und stellten fest, dass die Oberfläche seines Gehirns völlig „plan“ war, wie die einer Wassermelone. Um ihn herum standen nun die Ärzteschar und die Eltern, alle Gesichter spiegelten eine tiefe Betroffenheit wieder. Ebenso einig war man sich bei der Feststellung, die geistigen Fähigkeiten entsprächen ebenfalls denen des bereits genannten Kürbisgewächses mit dem botanischen Namen „Citrullus lanatus“. Seine wenig einfallsreichen Brüder beschlossen ihn ab diesem Zeitpunkt nur mehr Citrull zu nennen. Melonen sind normalerweise keine Einzelgänger, sie treten immer in Horden auf, doch auch hier bildete er eine Ausnahme. Verständlicherweise waren die Eltern überglücklich, als sie ihn gegen seinen Willen in den Kindergarten schleppten und er nicht wie sonst üblich bei der ersten Gelegenheit verschwand. Im Gegenteil, die Kindergärtnerinnen berichteten über erstaunliche Fortschritte. Er würde so gerne mit einer Schaufel und einem Kübel in der Sandkiste spielen, teilten sie den Eltern mit. Was sie nicht wussten war, dass in seinem Kürbiskopf nur eines vorging, der Gedanke an Flucht. Unglücklicherweise dauerten die Pausen nicht lange genug, um sein Vorhaben in die Tat umsetzen zu können. Meist, nachdem er den ersten Meter gegraben hatte, wurden die Kinder wieder in das Gebäude zurückgerufen, das ihm verhasste „Jubelsingen“ stand auf dem Programm. Seine Freude über die Einschulung war sogleich verflogen, als er in der ersten Pause bemerkte, dass der Schulhof aus einer asphaltierten Fläche bestand. Mit der Schaufel war kein Weiterkommen möglich, stellte er fest. Irgendwann musste er einmal den Spruch „mit dem Kopf durch die Wand“ aufgeschnappt, aber nicht richtig interpretiert haben. Eines Tage, er war des Radfahrens noch nicht mächtig – ließ er sich auf einem Drahtesel von seinen Geschwistern die Einfahrt zum Hof hinab stoßen. In der Mitte des Weges stürzte er und schlug mit seinem „Mützenhalter“ heftig am Boden auf. Um ihn herum sammelte sich die aufgeregte Familie und sah zu, wie es dem Citrull die Augen verdrehte. Was keiner ahnen konnte, der ganze Vorfall war geplant, denn er wollte eigentlich nur abhauen. Er dachte sich, wenn man mit dem Kopf durch die Wand kommt, dann sollte dies auch mit dem Boden funktionieren. Hätte zu jener Zeit bereits das Internet existiert, wäre er vielleicht auf folgende Erklärung gestoßen:

"Mit dem Kopf durch die Wand wollen/gehen" bedeutet, dass jemand ein Problem lösen will, indem er dagegen anrennt, ohne jedoch darüber nachzudenken, dass diese Lösung ihm selbst schaden wird. Eine solche Person ist unglaublich stur auf die einzige ihm möglich erscheinende Lösung fixiert, auch wenn diese sich als nicht praktikabel erweist“.

Lustigerweise zeigte sich eine gewisse Parallele zu den Vorfällen die sich im Orient ereignet hatten. Als er nämlich so in der Hofeinfahrt lag, erblickte auch er ein „Licht am Ende des Tunnels“.

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14. Dezember 2009 1 14 /12 /Dezember /2009 16:24

Deshalb erklärte sich auch sein Bedürfnis, den Leuten die Haare vom Kopf zu fressen.  Deshalb auch die so häufig vorkommende Glatzenbildung innerhalb des persischen Volkes. Grundsätzlich fand Fatman, dass eigentlich aushaaren nicht zu seinen Eigenschaften gehörte, worauf ihn sein Vater packte und zu einem Arzt schleppte der diesem ein Büschel Haare genau dort ausriss wo andere eine Platte ihr eigen nennen. Dann meinte der Arzt noch Fatman sollte endlich sehen wie das ist, das Gestrüpp von der Rübe genagt zu bekommen. Der Dicke außer sich nahm sich als dann einen Anwalt und verklagte den Arzt, dieser allerdings redete sich darauf hinaus, dass das ein natürlicher Wirbel wäre. Gut, zugegeben bei günstigem Licht hätte man sich darin frisieren können, aber es blieb ein Wirbel. Das war der erste lächerliche Gerichtsauftritt unseres Südländers, aber nicht sein Letzter. Zusätzlich bekam er so ziemlich jeden Tag eine Tracht. Eine Tracht Prügel. Anziehend war das nicht, eher abturnend. Vor Allem weil er wie schon erwähnt zwei Mal sozusagen angezogen wurde. Ein Mal weil, und ein Mal statt seinem Bruder, denn der war zu klein und konnte sofern das Ganze nicht richtig beurteilen. Außerdem konnte er eine Lehre daraus ziehen. Doppelt hält besser. Bei doppelt musste er unwillkürlich an seinen Zwillingsbruder denken. Also begann er einen perfiden Plan zu schmieden. Wie setzt man sich ab. Wie steigt man aus. Seine Gedanken kreisten in seinem Kopf, wie eine Turbine. Da war diese pfeifen in seinem Haupt. Konnte aber auch der Nachhall der Backpfeife sein die er erhalten hatte. Er beschloss als Erstes  die Luft anzuhalten, bis sich etwas ändern würde.  Die darauf folgende Ohnmacht wurde als Schwächeanfall ausgelegt, denn er konnte ja nicht gleichzeitig essen und die Luft anhalten. Als nächstes kam ihm der Gedanke eines Essensstreikes. Das Essen war ohnehin nicht der Rede wert. Also dachte er sich eine Mahlzeit auszulassen, könnte nur das Essen verbessern. Tsja was soll ich sagen, am Abend bekam er denselben Stoff vorgesetzt. Er verweigerte. Am nächsten Tag kam der Ersatzsultan wieder mit diesem stinkigen Fraß. Eine Gehörobst später futterte er den Teller weg. Nicht wegen der Feige, aber aus Angst, er könne sich eine Lebensmittelvergiftung einfangen wenn er bei diesen Außentemperaturen noch einen Tag diesen Teller vorgesetzt bekäme. Er erinnerte sich an seinen Plan. Ja, da war er wieder der Lichtblick am Ende des Tunnels.

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12. Dezember 2009 6 12 /12 /Dezember /2009 11:32

Hätte er über die Geschichten des Govannino Guareschi Bescheid gewusst, wäre im nicht entgangen, dass die Hände eines Priesters nicht nur zum Segnen geeignet. Jedenfalls war die körperliche Züchtigung kontraproduktiv, das Glaubensbekenntnis wollte einfach nicht seinem Kopf bleiben. Er hatte schon zuvor Probleme beim Lernen der 10 Gebote und war auch untröstlich, seiner Meinung nach einmal im Jahr gegen das achte Gebot zu verstoßen. „Du sollst kein falsches Zeugnis geben gegen deinen Nächsten“. Zugegeben ist die Formulierung des Gebots etwas schwerfällig, aber dass kein Zusammenhang mit einem Schulzeugnis besteht und mit „deinen Nächsten“ nicht die Eltern gemeint sind, hätte sogar sein Minimalverstand bemerken müssen. Erst später verstand er, dass nicht dass Zeugnis falsch sondern nur die darin vorhandenen Zensuren die falschen waren. Es war im nicht möglich sich über die vielen Jahre mit seinen Eltern über deren Höhe zu einigen. Währendessen stieg sein Notendurchschnitt dramatisch, bis er an einer Hand abgezählt werden konnte, fünf. Nachdem er sein Zeugnis vorgelegt hatte wurde im bewusst, dass nicht nur Priester mit großen Händen ausgestattet waren. Im darauffolgenden Jahr wurde er zum großen Regiesseur, glaubte er zumindest. Im Geiste wurde nämlich das Fremdwort Regiesseur von ihm zerlegt in Re, womit die Vorsilbe [lat.] für „zurück, wieder, nocheinmal“ gemeint ist und Giesseur (Ʒisø:r) das er mit Angsthase übersetzte. Kurz jemand der sich immer wieder fürchtet. Und das Zeugnis war diesmal wirklich zum Erschrecken. In der Zwischenzeit wurde auch „Fat Man“ mit dem persischen Unterrichtssystem bekannt gemacht. Zuerst in der bekanntesten Teheraner Baumschule. Die Granatapfelbäume trugen reichlich Früchte, jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt als er nach oben blickte. Ab da war kein Halten mehr, er graste die komplette Ernte ab und legte sich anschließend einfach nieder. Die Früchte begannen zu gären und wandelten sich in Alkohol um, damit erlebte er seine erste „Granate“. Ein Schulwechsel war unvermeidbar und ausgerechnet er kam in die Schule für Kleintiere, genauer gesagt in die Hamsterklasse. Und wirklich die Lehrer attestierten ihm ein zutraulicher Schüler zu sein. Einziges Manko war das in der Klasse aufgestellte Hamsterrad, er saß einfach nur auf dessen unterer Rundung und rührte sich nicht. Da half kein noch so beherzter „Radschlag“. Ihm fehlte die alte Bildungsstätte bzw. die „Früchte der Schule“, die sollte er allerdings nie in seinem mehr Leben ernten. Er war eben doch einfach ein Vielfraß, ein so genannter „Friseur“.

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11. Dezember 2009 5 11 /12 /Dezember /2009 13:02

“Little Man“ hatte es wie gesagt ins Alpine Hochland verschlagen. Dort regierte der Futterneid. Er war ebenfalls von einer liebenswerten Familie mit drei Basiskindern angenommen worden. Soweit so gut, würde man jetzt denken, wäre da nicht die bereits erwähnte Sache mit dem Futterneid. Als kleinster war es ihm nicht von selber her möglich in die Tischmitte zu den Speisen zu fassen, und von den Brüdern konnte er sich da keinerlei Hilfestellung erwarten. So wuchs er als Ersatzghandi auf. Selbst bei strahlendstem Sonnenschein konnte man seinen Schatten nicht wahrnehmen. Also beschloss er sich einfach einen Schatten zu suchen. Peter Pan hatte ihn schließlich auch gefunden und an seine Füße genäht. Nähen konnte er zwar nicht, dafür hatte er aber eine Klammermaschine. Doch dazu später.

Er war kein besonderer Freund der Schule. Er mochte die Schule nicht, ebenso wie die Schule ihn nicht leiden konnte. Die Frage tat sich auf, wer wen weniger gebraucht hätte. Die Folge war viel Obst. Feigen. Ohrfeigen. Wobei er aber sein Licht unter den viel zitierten Scheffel stellte waren, selbst inszenierte Stunts und Unfälle.  Zum Beispiel  baute er wunderschöne Riesenbomber aus dem zweiten Weltkrieg, die er anzündete und vom Dach des Hauses in den Garten warf. Flugzeugabsturz. Ein anderes Mal bastelte er eine Lebensgroße Puppe und warf sie ketchupbeschmiert durchs Treppenhaus. Mordopfer. Oder er nahm zwei kleine Autos in seine Hände und zwang seine Brüder mit einem dritten, mitten durchzufahren, während er versuchte beide von ihm gesteuerten Autos geschickt so zu manövrieren, dass er das andere Auto seitlich erwischte. Autounfall. Nun könnte man sich denken, was für eine Ausgeburt an sadistischer Gewalt, aber weit gefehlt, denn bei allen diesen Inszenierungen hatte er seine 8mm Filmkamera laufen um Alles für die Nachwelt festzuhalten. Gut, hin und wieder vergaß er einen Film einzulegen, Schuld war aber eher der damalige Filmpreis. Dennoch wähnte er sich jedes Mal seinem Ziel Aktion Regisseur zu werden einen Schritt näher. Warum wohl nichts daraus wurde lag vermutlich an seinem erhöhten Obstkonsum. Inzwischen bekam er auch im Schulunterricht sein Fett weg, oder besser gesagt seine Portion Obst. Der Religionslehrer hatte sehr große Hände. Die er sehr geschickt zu benutzen wusste. Aber ich greife schon wieder viel zu weit vor.

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10. Dezember 2009 4 10 /12 /Dezember /2009 13:42

In Persien regierten zur der Zeit die „Shahs“ und wären sie ein wenig intelligenter gewesen, hätten sie das Potential erkennen müssen, dass in dem großen Kleinen steckte. Dieses pflegte er nämlich immer lautstark und mit ungeheuerlicher Geruchsentwicklung von sich zugeben. Erst später etablierte sich im deutschen Sprachraum die Bezeichnung für diese Tätigkeit, der Plural von Shah, der nur noch ein wenig der Rechtschreibung angepasst wurde. Die Perser verfügten zwar nicht über die Atomtechnologie um eine Bombe zu entwickeln, aber sie hätten das Kind einfach über einem gewünschten Zielgebiet abwerfen können, die Wirkung wäre umwerfend gewesen. In Anlehnung an die ersten zwei Atombomben „Little Boy“ und „Fat Man“ hätten sie ihn einfach „Fat Boy“ nennen können. Ein weiteres Indiz für die Unfähigkeit der Herrscherfamilie war, als die Ayatollahs auftauchten. Der  Shah fragte seinen engsten Vertrauten, was das für eine Währung sei, der Eier-Dollar. Diese Naivität führte letztendlich zum Sturz des Herrschers und er musste das Land verlassen. Die wahre Geschichte über die Flucht spielte sich  – wie so oft – ganz anders ab.

Die Adoptiveltern bastelten heftig an einen Nachfolger, mit dem sie sich auch einmal in der Öffentlichkeit zeigen könnten. Neun Monate später kam die Nachgeburt auf die Welt und wurde sofort als Kronprinz in der Familie gehandelt. Eines Tages – es war der persische Nationalfeiertag – besuchte man wie es Tradition war den Palast, um dem Shah die Hand zu schütteln. Genau in dem Augenblick passierte das Malheur, der Monarch verzog seine Mine und antwortete auf die Frage, was denn wäre, „ich habe ein Geräusch gehört“. Er wusste noch nicht, dass dieser Ton das geringste Problem sein sollte und nachdem sämtliche Palastfenster geschlossen waren, wurde auch nichts vom Winde verweht. Daraufhin verließ die gesamte Regierung fluchtartig das Land. Der Shah der sich in unmittelbarer Nähe der Detonation aufgehalten hatte erlitt eine so schwere Gasvergiftung, dass er sich davon nie mehr richtig erholte und kurze Zeit später im Exil verstarb. Der Vater war so erzürnt, dass er zum ersten Mal seine orientalischen Hausschuhe zur Züchtigung einsetzte und die Bevölkerung in Teheran dachte, sie würden das „Zwölferläuten“ hören. Dabei war gar nicht der Zwickling der Verursacher gewesen sondern sein neuer, „windiger“ Bruder. Doch weil es so praktisch war beschloss der Vater diese Erziehungsmethode beizubehalten und egal wer etwas angestellt hatte, zur Bestrafung musste der Ältere herhalten, denn Prinzen schlägt man nicht.

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