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8. Februar 2010 1 08 /02 /Februar /2010 17:19

Unbetätigten Gerüchten zufolge wollte sein Vater ihn Jahrzehnte später eigentlich bei einem Zuckerbäcker in die Lehre schicken, doch er scheiterte schon an der Frage „Was versteht man unter Kuvertüre“. Seine Antwort „das ist der Einwurfschlitz eines Briefkastens“ vereitelten aber diese Pläne. Verlassen wir nun das Land der Feigen und „Dachteln“ und wenden uns wieder Richtung Westen. Der dünne Dümmling hatte eine für die Adoptiveltern praktische Angewohnheit. Er war nun wirklich kein menschliches Aushängeschild mit dem sich im Kreise der Gesellschaft auch nur ein Blumentopf hätte gewinnen lassen. Zum Glück war er äußerst zurückhaltend und sobald die Glocke an der Wohnungstüre läutete, verschwand er blitzartig unter dem Wohnzimmertisch. Das führte dazu, dass sämtliche Bekannte im Glauben waren, es existierten nur drei Kinder. Denen machte es auch sichtlich Spaß, gelegentlich an der Haustür zu läuten, um die Reaktion von „Littleman“ zu sehen. Hätte er zu Beginn des 20. Jahrhunderts gelebt, er wäre vermutlich als der „Pawlowsche Affe“ in die Geschichte der Psychologie eingegangen. So aber plagten ihn Ängste vor dem unvermeidbaren Längenwachstum und der Frage wie er körperlich voll entwickelt und dem Tisch noch Platz finden sollte? Der Versuch seine Eigenartigkeit durch eine Kinderpsychologin zu ergründen misslang. Wahrscheinlich musste seine Geschichte erst geschrieben werden. Da Menschen mit abgeschlossenem Studium selten an ihren Fähigkeiten zweifeln bzw. ihre Unzulänglichkeiten einfach ignorieren, wurde den Eltern erklärt, dass dieser spezielle Fall wohl eher im Zuständigkeitsbereich eines Tierarztes läge. Doch nachdem die ganze Situation schon so peinlich genug war, beschlossen sie dieses animalische Missverständnis gar nicht mehr aus der Welt zu schaffen und gaben ihn überall als Affen aus. Apropos aus der Welt schaffen. Es war ein Ostermontag der mit einem doppelten Morgengrauen begann. Erstens plante der Vater einen Spaziergang und zweitens näherten sich die Schulferien unausweichlich ihrem Ende zu. Auch diesmal half es nicht, wie es den Affen eigen ist, sich mit Händen und Füßen im Türstock festzukrallen, so brachen der Vater, sein Bruder und er zu diesem Ausflug auf. Beim Gehen definierte er den Begriff der Langsamkeit neu, die Bewegung schien sich zwischen vorwärts und rückwärts nicht entscheiden zu können. Es hatte fast den Anschein er nähere sich dem „absoluten Nullpunkt der Fortbewegung“. Daher war es wenig verwunderlich, dass sich erst ein enormer Abstand zu Vater und Bruder gebildet hatte, der schließlich im Verschwinden der beiden gipfelte. Nun „gipfelte“ er ebenfalls, allerdings Richtung Bergspitze, anstatt talauswärts zu gehen. „Littleman“ besaß nämlich eine herausragende Eigenschaft, die selbst beim dümmsten Affen nicht zu finden ist, völlige „Orientierungslosigkeit“. In diesem Fall kam die räumliche zum Tragen. Diese Blödheit führte wahrscheinlich zu dem lustigen Kinderspruch „Tal auf, Tal ab (schnell hintereinander wiederholen). Nachdem er einfach verschwunden blieb, eilte sein Vater zum nächsten Gendarmerieposten um sich Unterstützung bei der Suche zu holen. Nicht wie man glauben sollte aus Besorgnis, sondern aus Angst, der Hofnarr könnte ihm diesmal tatsächlich abhanden kommen. Er forderte vom Postenkommandanten auch ein Megaphon, wahrscheinlich hatte er Angst die normale Lautstärke seiner Stimme könnte für die vorbereitete Brüllorgie nicht ausreichen. Doch der Adoptivsohn blieb wie vom Erdboden verschluckt. Er hatte in der Zwischenzeit in einem Heustadel ein Nachtlager ausgekundschaftet, das „sehr“ interessante Dinge beherbergte. Neben einem handbetriebenen Messerschleifer, war überall auf dem Boden Literatur in Form von Telefonbüchern unterschiedlicher Jahrgänge verstreut. Er sah einer rosigen Zukunft als messerschleifende Telefonauskunft entgegen, doch es war noch etwas zu früh, um mit dieser Vorstellung in den Schlaf zu sinken. Darum beschloss er sich noch ein wenig in der Gegend umzuschauen, als seine eben erlangte Freiheit durch eine schicksalhafte Begegnung abrupt beendet wurde. Der Pfarrer aus seinem Stadtteil fuhr genau in jenem Augenblick an ihm vorbei, hielt an und nachdem „Littelman“ sofort begriff, dass er niemals schneller laufen könnte als der weiße VW-Käfer inklusive Besatzung, ließ er sich widerstandslos festnehmen. Traurig musste er zur Kenntnis nehmen, abermals eine Chance verpasst zu haben und erstmals kamen Zweifel bei ihm auf, ob nach diesem Vorfall ein gerechter Gott überhaupt existieren könne.

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